Ende Mai hat Ernst & Young (EY) den Code für das Nightfall-Protokoll Open Source, frei von Urheberrechten, als Public Domain veröffentlicht. Dieses ermöglicht private Transaktionen auf der Public Ethereum Blockchain. EY zählt zu einer der sogenannten Big Four Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (Deloitte, EY, KPMG, PwC) und ist ein global operierendes Netzwerk rechtlich selbstständiger und unabhängiger Unternehmen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Transaktionsberatung.

Paul Brody, verantwortlich für Blockchain-Aktivitäten bei EY, beschreibt in dem Artikel, warum der Software Release von Nightfall ein wichtiger Meilenstein für die Firma ist, wieso Public Blockchains die Enterprise Blockchain Industrie dominieren werden und wie die Technologie Unternehmensnetzwerke weiterentwickeln wird. Brody ist überzeugt, dass innerhalb des nächsten Jahrzehnts digitale Smart Contracts, die den Tausch von Güter- und Service-Tokens gegen Zahlungs-Tokens managen, zum Standard für die Geschäftsabwicklung von Unternehmen werden. Diese werden sicher, privat und legal auf einer Public Blockchain realisiert. Diese Vision ist nicht willkürlich, sondern basiert auf Beobachtungen, was Enterprise Resource Planning (ERP) Systeme für Unternehmen ermöglicht haben und wie diese dadurch in den letzten 50 Jahren verändert wurden. Zusammengefasst wird das Wertversprechen der Blockchain-Technologie für die Industrie wie folgt: „Blockchains will do for networks of enterprises and business ecosystems what enterprise resource planning (ERP) did for the single company.” In dieser Entwicklung entsteht nicht nur ein enormer Blockchain Markt, sondern auch eine wesentliche Steigerung der globalen Produktivität. Vor Kurzem stellte Brody diese Vision und die Aktivitäten EYs in der Präsentation „Depth and Scale: What blockchain can deliver now“ vor. Ein erfrischender Einblick in die Enterprise Blockchain Welt und sehr gut investierte 45 Minuten. Die Wertschöpfung der Arbeitsteilung bzw. Spezialisierung ist durch die Kosten und Komplexität der Geschäftsabwicklung beschränkt. Desto einfacher es ist zusammenzuarbeiten und Aktivitäten mit anderen zu koordinieren, desto größer können Unternehmen werden. Ökonomische Transaktionskosten sind typischerweise deutlich geringer innerhalb einer Firma, als in der Zusammenarbeit mit externen Parteien. Mit zunehmender Größe einer Organisation wird die Koordination zwischen Teilen dieser ebenfalls erschwert. Informationstechnologie hatte schon immer eine Rolle in der Reduzierung von Transaktionskosten. Der Telegraph, das Telefon und zuletzt der Computer haben es Firmen ermöglicht regional, national und schließlich global zu operieren. Das Aufkommen und die Nutzung von ERP Systemen hat diese Koordination auf ein neues Level gehoben. ERP hat ungleiche und verteilte Organisationen in globale Giganten verwandelt. Dabei werden Unternehmenssysteme immer tiefer End-to-End integriert, mit dem Streben nach zwei fundamentalen Zielen: 1. Alle Parteien auf den gleichen Stand bzgl. der Fakten zu bringen und Informationen richtig zu konsolidieren (wie viele Mitarbeiter haben wir? Wie hoch sind die aktuellen Verkäufe und das Inventar? etc.). 2. Prozesse zwischen allen Parteien zu standardisieren (Einkauf, Verkauf, Transport, etc.). Der Grund, dass Unternehmen heutzutage viel größer als in der Vergangenheit sind, ist auf die einfachere, globale Skalierung von Organisationen und Prozessen durch ERP Systeme zurückzuführen. Damit sind aber auch zunehmende Herausforderungen aufgekommen. Die Prozesse, die intern vereinheitlicht und skaliert wurden, sind viel schwieriger mit externen Dritten zu managen. So sind die Koordination und Interaktion mit unterschiedlichen Lieferanten, die alle unterschiedliche ERP Systeme verwenden, mit Reibungen verbunden. Während Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten durch Outsourcing zunehmend zu Netzwerken an Unternehmen herangewachsen sind, hat die Art und Weise, wie diese digital zusammenarbeiten sich seit den 70er Jahren nur minimal weiterentwickelt. Während Web-basierte Portale sich bereits als digitale, zentralisierte Plattformen in Endverbraucher-Märkten für die Koordination bestimmter Services etabliert haben, wie z.B. für Shopping, Ride Sharing oder Reisen, haben Unternehmen nur wenige, gemeinsame Plattformen adaptiert. Zentralisierte Systeme tendieren dazu Netzwerk-Betreiber in Markt-beherrschende Positionen zu versetzen. Diese wissen mehr über den gesamten Markt als jede einzelne Partei und nutzen diese zunehmende Informations-Asymmetrie zum eigenen Vorteil. Vendor-Lock-in bei Kernsystemen und zu viel Einsicht in Transaktionsflüsse gegenüber Dritten sind im B2B Kontext strategisch ungewünscht. Blockchain-Technologie ermöglicht einen magischen und revolutionären Trick: sie kann Transaktionen und Prozesslogik über ein Netzwerk exekutieren, ohne auf eine zentrale Autorität, die diese Arbeit validiert und ausführt, angewiesen zu sein. Die gleiche Symphony, die gleiche Musik, nur ohne Dirigenten. Damit können Unternehmen standardisierte IT-Infrastruktur und -Plattformen für die Abwicklung von Geschäften nutzen, ohne strategisch wichtige Informationen einem potentiellen Wettbewerber zu übergeben. Mit der Nutzung von Public Blockchains können Unternehmen Produkte schaffen, ihre Historie rückverfolgen und Geschäftsvereinbarungen mit anderen abschließen, alles auf der Basis geteilter Regeln. Wenn ein Gegenstand von einem Punkt zum anderen geliefert wird kann jeder, der Teil dieses Geschäftes ist, darüber informiert werden und Geschäftsregeln können konsistent über ein Netzwerk bestehend aus multiplen Unternehmen angewandt werden. Anstatt einer Vielzahl an unterschiedlichen Netzwerken beizutreten, kann all dies über eine einzig geteilte Blockchain ermöglicht werden. Aus diesem Grund werden sich die Aktivitäten von Unternehmen mittelfristig um die Nutzung von einigen Public Blockchains konsolidieren. Public Blockchains können die Transaktionskosten zwischen Unternehmen erheblich senken. Die drei größten Felder zur Effizienzsteigerung sieht EY in der Verbesserung der Prozesszeit, im Beschaffungsmanagement und in der Supply Chain. Private Blockhains wurden primär geschaffen, da private Transaktionen bis vor kurzem auf einer wirklich dezentralen, öffentlichen Blockchain nicht umgesetzt werden konnten. Wenn ein Unternehmen Bezahlungs-Tokens gegen Güter- oder Service-Tokens handeln will, könnte jedes andere Unternehmen nachvollziehen, wie viele Tokens ge- und verkauft wurden. In Anbetracht der extrem sensiblen, wettbewerbsfähigen Natur der Preisgestaltung und -politik würde eine Public Blockchain mit öffentlich einsehbaren Transaktionsdaten nicht nutzbar sein. Mit dem Nightfall-Protokoll von EY ist es nun möglich private Transaktionen sicher auf Public Blockhains abzuwickeln. Die hierbei eingesetzte Kryptografie namens Zero Knowledge Proof (ZKP) wird zum Beispiel auch von JP Morgan in Quorum und dem Startup Aztec Protocol für private Transaktionen eingesetzt. Die Idee dahinter ist simpel aber die Mathematik schwer: anstatt die genaue Information zu zeigen wird ein mathematischer Beweis, der die jeweilige Information verifiziert, vorgezeigt. Nach mehreren Iterationen des Nightfall-Protokolls konnten Entwickler von EY die Transaktionskosten auf der Ethereum Blockchain für eine private Transaktion von 100 USD auf 8 USD bereits senken. Es wird davon ausgegangen, dass durch die Veröffentlichung der Software als Public Domain die anfallenden Transaktionskosten in der nahen Zukunft weiter gesenkt, die Adaption des Protokolls gesteigert und die daraus folgende Nutzung der Public Blockchain für Unternehmen weiter zunehmen wird.